Freitag, 30. März 2012

Die verschwundenen Flügelchen ( Leseprobe / Veröffentlichung über den FWZ Verlag Frühjahr 2012)

DIE VERSCHWUNDENEN FLÜGELCHEN


Du weißt es sicher schon, die besten Märchen fangen immer mit „Es war einmal ...“ an. Also muss diese Geschichte natürlich auch so beginnen ...



Die Reise beginnt ...

Es war einmal ein kleines Mädchen, das hatte wunderschönes, goldlockiges Haar, weißflauschige Flügelchen und ein ganz besonderes, strahlendes Lächeln. Und weil sie mit ihrem goldigem Haar und den hübschen Flügelchen aussah wie ein Engelchen, war ihr Name ... na? Kannst du es erraten? Genau! Ihr Name war Engelchen! Immer wenn sie einen Raum betrat, wurde es hell und sonnig. Alle Menschen in ihrer Nähe wurden plötzlich ganz fröhlich und nannten sie ihren Sonnenschein. Und weißt du was? Das lag daran, dass sie wirklich ein richtiges Engelchen war! Das wusste natürlich jedes Kind, nur die Erwachsenen dachten sich, dass ihre Flügelchen bestimmt nicht echt waren, weil es ja keine Engel geben kann, die auch noch ganz offen mitten unter den Menschen leben. Wenn die wüssten, wie sehr sie sich da täuschten!
Eines Morgens erwachte Engelchen mit einem komischen Gefühl auf dem Rücken. Es juckte und kribbelte auf ihren Schultern, als würden hundert vorwitzige kleine Ameisen um ihre Flügelchen krabbeln. Sie ging zu ihrem großen rosenumrankten Spiegel und warf einen Blick über ihre Schulter. Oh Schreck! Oh weh! Ihre Flügelchen waren verschwunden! Völlig fassungslos starrte Engelchen in den Spiegel. Sie strich mit den Fingerspitzen über ihren Rücken ... aber nein ... da waren keine Flügelchen mehr! Sie zwickte sich vorsichtig in den Arm und hoffte es sei nur ein böser Traum.
Doch nein, sie war ganz wach und die Flügelchen waren einfach verschwunden. Eine kleine Träne rann ihr über die Wange, tropfte ihr in die Hand und wurde zu einem funkelnden Diamanten. Dazu musst du wissen, dass selbst wenn Engelchen traurig war, sie ihre Umgebung mit Schönheit erfüllte und daher ihre Tränen in wunderschöne Diamanten verwandelte. „Ach,“ seufzte Engelchen ganz traurig, „was soll ich denn nur tun, ohne meine Flügelchen?“ Sie setzte sich auf ihr Bettchen und fing an ganz angestrengt nachzudenken. Du kannst es dir sicher sehr gut vorstellen, wie angestrengt sie nachdachte ... das Näschen krumpelte sie und das Mündchen spitzelte sie und die Äugelchen wurden ganz schmal ... Und plötzlich hatte sie die rettende Idee! Sie würde ihre Flügelchen suchen gehen! Denn sie wusste eines ganz genau: Nichts geht wirklich verloren ... es muss einfach nur wiedergefunden werden! Entschlossen sprang sie von ihrem Bettchen und zog sich ihr schönstes rosa Kleidchen an. Denn Rosa machte sie immer ganz fröhlich und für so eine Suche muss man einfach alles nutzen, das einem irgendwie helfen kann. Sie nahm ihre Rucksacktasche und packte alles hinein, was sie für unbedingt nötig hielt. Dazu musst du wissen, dass die Sachen von Engeln immer ein wenig anders funktionieren als die von uns anderen. Die Rucksacktasche eines Engelchens wird nie zu schwer und es passen unglaubliche Mengen hinein. Das ist ungemein praktisch, wenn man eine längere Reise vor sich hat, kann ich Dir sagen! Vor allem, wenn man so wie dieses kleine Engelchen schon bei einer Dreitagesreise mindestens 5 Pullis, 3 Hosen, 2 Röcke, jede Menge Söckchen und Schlüpfer, 2 Jacken und 4 Paar Schuhe als absolut notwendig ansieht. Also packte Engelchen ein, was man nur irgend gebrauchen könnte. Jede Menge Kleidung, all ihre Schuhe, ihren ganzen Schmuck und ihren kompletten Jahresvorrat an selbstgebackenen Keksen. Dazu noch einige Flaschen Wasser und ganz wichtig: frisch gebrühten Kaffee und leckere Käsebrote! Dann ihre Zahnbürste, ihren Lieblingswaschlappen, ein paar flauschige Handtücher, ihren Fön und was ein Engelchen an Hübschmachsachen alles so braucht. Es folgte ein wilder Mix aus Dingen wie: Messer, Rohrzange, Hammer, Fahrradpumpe, Buntstifte, Schlittschuhe, Taschenlampe, Teller, Becher, Besteck, Kerzen, Obst und Gemüse, einen kleinen Kühlschrank mit Leckereien, ein weiches Kissen, eine schöne Picknickdecke, eine Sonnenblume, Nähzeug, ein Manikürset mit farblich zu ihrer Kleidung abgestimmtem Nagellack, einen Stuhl und eine Hängematte. Und zu guter Letzt noch ihren Kompass, den sie gleich auf das Lenkrad ihres Fahrrades montieren würde.
Das war natürlich auch ein ganz besonderer Kompass. Neben den normalen Eigenschaften hatte er noch drei enorm wichtige Zusatzfunktionen. Dazu gehörte ihr kleiner, in dem Kompass wohnender Wetterfrosch namens Schnuck, der das Wetter für eine Woche zuverlässig voraussagen konnte und unabhängig davon auch immer für einen netten kleinen Plausch zu haben war. Dann noch ein eingebautes und bei Bedarf aus dem Fahrradlenker herausschnellendes Winkundzeigehändchen, das einem sagte, wo rechts und links war, was sich als sehr praktisch erwiesen hatte, da das Engelchen eigentlich immer links und rechts verwechselte. Zum Schluss noch ein sich automatisch ein- und ausklappendes Toilettenhäuschen mit allem Komfort und leiser Plätschermusik.
So ... einen letzten Blick in die Runde ... jetzt hatte sie wohl alles ... sie schnappte sich noch ihre Jacke und den MP3 Player, schnallte ihre Rucksacktasche auf ihr kleines, rotes Fahrrad, das übrigens Möppelchen hieß, montierte schnell noch den Kompass mit Schnuck auf das Lenkrad und schwang sich auf den Sattel. Und da sie ja nicht wusste, wo ihre Flügelchen waren, fuhr sie einfach der Nase nach und ließ sich den Wind um die Ohren sausen.
Und so begann die große Reise auf der Suche nach den Engelsflügelchen ...

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